Software gehört zu den wenigen Produkten auf der Welt, die fast keinen Müll hinterlassen. Kein Plastik, kein Papier, kein Glas, nicht einmal Elektroschrott, geschweige denn Kompost – ein Klick für den Download genügt.
Doch es wäre ein Trugschluss zu glauben, die Software-Industrie sei nicht verschwenderisch. Denn was wir im Überfluss vergeuden, ist die Ressource Mensch – seine Schaffenskraft, seine Kreativität, seine Motivation, das Leben einfacher und die Welt besser zu machen.
Wir können noch so viele Work-Life-Balance-Konzepte entwickeln, Kickertische in die Pausenräume stellen oder Fitnessstudios in den Kellerräumen einrichten. Wenn es uns nicht gelingt, die Resultate menschlicher Arbeit nachhaltiger zu nutzen, dann führen wir den Menschen unweigerlich in eine mentale Sackgasse. Wir zerstören seine Ideen von morgen, noch ehe er darüber nachgedacht hat.
Kompromiss des kleinsten gemeinsamen Nenners
Software, wie ich sie einst kennen gelernt habe, ist zu oft ein Wegwerfprodukt. Programmiert, um über einen kurzen Zeitraum die Bedürfnisse ihrer Nutzer:innen zu befriedigen. Aber eben auch so aufgebaut, dass es irgendwann unmöglich wird, sie den wachsenden Anforderungen der dynamischen Lebensrealität anzupassen und sie auszubauen. Der Kompromiss des kleinsten gemeinsamen Nenners.
Während Forscher:innen und Wissenschaftler:innen gerne betonen, dass sie auf den Schultern von Riesen stehen und deren Erkenntnisse als Grundlage für ihre eigene Arbeit nutzen, schauen Software-Entwickler:innen dagegen oft hilflos dabei zu, wie ihr Quellcode nach ein paar Jahren Nützlichkeit in den digitalen Papierkorb verschoben wird. „Endgültig löschen?“ – Was sonst! Vom Riesen zum Zwerg geschrumpft. Niemand steht auf den Schultern der Entwickler:innen. Die einzige verbliebene Wertschätzung ist die Gehaltszahlung. Immerhin, aber irgendwann auch nicht mehr als ein Gnadenbrot für den Einfallsreichtum des menschlichen Geistes.
Das große Dilemma der Digitalisierung
Noch schmerzhafter ist es, wenn das Ergebnis der eigenen Arbeit nicht einmal vorübergehend irgendjemandem von Nutzen ist. Ich habe vor mehr als 20 Jahren selbst die Erfahrung gemacht, wie es sich anfühlt, anderthalb Jahre Lebens- und Arbeitszeit in ein Projekt zu investieren, dem der Stecker gezogen wird.
Wir waren ein Team von 50 Leuten. Ein großer Konzern hatte Millionen investiert. Das Ziel war klar und verständlich formuliert. Doch auf dem Weg zur Lösung häuften sich die Missverständnisse. Wer fragte, bekam falsche Antworten von den richtigen Leuten, weil die schon die Fragen falsch verstanden. Wer antwortete, war jedoch überzeugt davon, das Richtige zu sagen und verstand nicht, weshalb man sie oder ihn offenbar falsch verstand. Das ist das große Dilemma der Digitalisierung.
Es darf doch nicht sein, dass man erst nach so langer Zeit feststellt, dass eine Entwicklung nicht den Anforderungen genügt. Das kommt aber immer wieder vor.
Erfahrungen von gestern prägen unser Handeln von morgen
In beiden Szenarien bleibt von der Arbeit eines Entwicklers am Ende nichts übrig. Seine Software hinterlässt keinerlei Spuren. Ausgelöscht und bald vergessen. Woraus sollen Entwickler:innen dann noch die Kraft ziehen, wieder ganz von vorne anzufangen. Sind sie jemals wieder gewillt, diese Energie aufzuwenden, diese Zeit zu investieren, diese Extrameile zu gehen, die den Unterschied zwischen Verwaltung und Fortschritt macht? Wohl kaum. Ihre Erfahrungen von gestern prägen ihr Handeln von morgen.
Auch mein Handeln ist geprägt von meinen Erfahrungen. Mir aber hat der Schritt in die Selbstständigkeit neue Inspiration gegeben. Ich will, dass wir als Unternehmen die Kreativität des Menschen wertschätzen. Dass wir Wege einschlagen, die ihre Verschwendung vermeiden.
Bilder sagen mehr als 1000 Worte
Wir können heute schon solche Software kreieren, die Grundlagen legt für die Software der kommenden Jahrzehnte. Nichts anderes muss unser Ziel sein, um die Ressource Mensch nachhaltig zu behandeln.
Software ist nur dann zukunftsfähig, wenn sie mitgestaltet wird von jenen, die mit ihr arbeiten oder deren Arbeit davon beeinflusst wird. All jene müssen wir deswegen dazu befähigen zu verstehen, was wir als Entwickler:in eigentlich tun. Die beste Lösung dafür ist die Bildsprache. Denn Bilder sagen mehr als 1000 Worte. Sie schaffen sogar Ordnung, wo sich Buchstaben überschlagen.
Mit ihnen bauen wir derart solide Fundamente, dass Software über Jahre hinaus beliebig erweitert werden kann. Unsere Kunden brauchen diese Produkte nie wieder wegzuschmeißen. Das klingt fast so, als würden wir uns selbst arbeitslos machen. Aber soweit wird es nicht kommen, weil sich die Aufgaben der Entwickler:innen dynamisch weiterentwickeln werden.
Der Mensch schafft sein Lebenswerk, und wir bewahren es. Dann stehen endlich auch die Entwickler:innen der Zukunft auf den Schultern von Riesen.