Ein elementar wichtiger Bestandteil der Software-Entwicklung ist die Phase der Problemfindung. Denn um maßgeschneidert programmieren zu können, müssen wir als Anbieter exakt wissen, was die Bedürfnisse der Anwender:innen sind.
„Frag halt“, klingt nach einem Patentrezept, um diesen Bedürfnissen auf den Grund zu gehen. Doch ich stelle immer wieder fest, dass es keineswegs so einfach ist. Wer fragt, bekommt zwar eine Antwort, die das Problem vermeintlich definiert. Doch ob damit das optimale Resultat erreicht wird, erfahren alle Beteiligten erst, wenn die Software schon gebaut ist.
Anders gesagt: Es gibt eine Wahrscheinlichkeit, dass Fragesteller:innen und Antwortgeber:innen aneinander vorbei reden. Die Konsequenzen können viel Zeit und Geld kosten. Nämlich wenn der/die Anwender:in in der Testphase der neuen Software bemerkt, dass das Problem keineswegs optimal gelöst worden ist.
Um die Höhe dieser Wahrscheinlichkeit zu senken, müssen wir die möglichen Ursachen für die Missverständnisse verstehen. Sie liegen einerseits darin, dass die Befragten nicht die richtigen Ansprechpartner:innen sind. Und andererseits stellen wir als Entwickler:innen möglicherweise die falschen Fragen.
Als Anbieter haben wir es jedoch selbst in der Hand, beide Eventualitäten drastisch zu minimieren. Denn wir sind es, die sich die richtigen Ansprechpartner:innen suchen können. Kein Unternehmen der Welt wird es uns als Entwickler:innen verwehren, mit denjenigen zu sprechen, die wir als relevante Quellen betrachten. Denn natürlich will ein Management ein bestmögliches Produkt, wenn es eigene Ressourcen investiert, um auf eine neue Software umzusteigen.
Doch um uns selbst in die Lage versetzen zu können, die richtigen Gesprächspartner:innen auf Kundenseite zu finden, bedarf es eines neuen Profils unseres eigenen Unternehmens. Dieses neue Profil zeichnet auch Sylvia Kern in ihrem Buch „Future Skill Vielseitigkeit“. Der Begriff Vielseitigkeit klingt profan, weil er im Beruflichen seit Jahr und Tag gerne verwendet wird. Wer würde denn nicht von sich behaupten, vielseitig zu sein?
In Wahrheit ist es aber so, dass echte Vielseitigkeit durchaus fortgeschrittene Kenntnisse und Fähigkeiten in zahlreichen Domänen verlangt, die über weit verbreitetes Basiswissen hinausgeht. Dennoch darf der Anspruch nicht sein, dass ein:e vielseitige:r Arbeitnehmer:in in einzelnen Bereichen zudem noch Spezialist:in ist.
Vielseitigkeit genügt als Schlüssel zur Problemfindung. Denn während Spezialist:innen die Suche nach dem Problem vornehmlich in der vertrauten Domäne suchen und aus Mangel an Alternativen dort auch fündig werden müssen, grast die Vielseitigkeit ein interdisziplinäres Feld ab. Sie kann Prozesse aus verschiedenen Bereichen miteinander verknüpfen und Lösungen variabel denken, wo dem Spezialisten oder der Spezialistin Grenzen gesetzt sind.